Dorfkümmerei, Tafel, Kleiderkarussell – drei auf den ersten Blick sehr verschiedene Projekte. Doch in einem Punkt haben sie eine große, wenn nicht die wertvollste, Gemeinsamkeit: sie sind für Menschen da und begegnen mit besonderem Engagement sozialer Ungleichheit in unterschiedlichen Formen. Diese Projekte aus dem Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill wurden in der Reihe „Kirche für die Leute. Sozialdiakonisches Engagement vor Ort“ im Frühjahr 2025 an drei Montagabenden jeweils in Online-Veranstaltungen von einer Stunde präsentiert und diskutiert.
Dorfkümmerei Waldsolms
Am ersten Abend stellte Monika Hoffer-Lorisch von der Dorfkümmerei Waldsolms ihre Arbeit vor und berichtete von den vielen Facetten, die ihre Tätigkeit als Dorfkümmerin mit sich bringt. So war sie bis zu ihrem Ruhestand u.a. Ansprechpartnerin bei Fragen zum Umgang mit Demenz, zur Digitalisierung oder auch für Menschen, die sich in ihrer Nachbarschaft ehrenamtlich engagieren möchten. Entstanden sind Informationsveranstaltungen zu Demenz und Erste Hilfe, Frühstückstreffs, Möglichkeiten des gemeinsamen Mittagessens, eine Handykümmerei, ein Repair-Café, eine Eltern-Kind-Gruppe und ein ehrenamtlicher Besuchsdienst. Beeindruckend war besonders die in Corona-Zeiten umgesetzte Vernetzung von Menschen, die trotz der räumlichen Nähe, ansonsten nicht miteinander in Kontakt getreten wären. Auch die von außen wahrgenommene Niederschwelligkeit des Angebotes, der direkte Kontakt zur Kirchengemeinde und das große Netzwerk vielfältiger ehrenamtlicher Arbeit wurden als Erfolgsfaktoren identifiziert. Die Stelle der Dorfkümmerin wird nach einer ersten Finanzierung mithilfe einer LEADER-Förderung aktuell von der Zivilgemeinde und der Evangelischen Kirchengemeinde Schöffengrund-Waldsolms getragen.
Tafel Wetzlar
Eine Woche später brachte Diakon Christof Mayer die Arbeit der Tafel Wetzlar, für die er als Geschäftsführer bereits seit vielen Jahren tätig ist, den Teilnehmenden näher. Die Tafel Wetzlar wird von der Evangelischen Kirchengemeinde Niedergirmes getragen und bietet nicht nur schnelle Hilfe für Menschen in Notsituationen, sondern schafft auch Raum für soziale Begegnungen. So gibt es die Möglichkeit eines gemeinsamen Mittagessens oder gute Gespräche bei einem Stück Kuchen und Kaffee in einem der Tafel-Cafés. Daneben bieten die Tafelläden eine große Auswahl von Kleidung bis Haushaltswaren an. Grundlegend sind die Angebote so ausgerichtet, dass sie den Geldbeutel entlasten, damit Geld für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bleibt. Als Arbeitsplatz zum (Wieder-)Einstieg in einen geregelten Arbeitsalltag bietet die Tafel Wetzlar eine weitere Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Als problematisch wurde der Rückgang von frischen Lebensmitteln bei den Spenden für die Tafel empfunden und von Christof Mayer die Aktion „Kauf eins mehr!“ vorgestellt, bei der Kund:innen von ehrenamtlichen Helfern (von Kirchengemeinden, Schulen oder Service Clubs) vor dem Supermarkt aktiv auf die Möglichkeit zu Spenden von Lebensmitteln hingewiesen werden.
Kleiderkarussell Erda
Am letzten Abend der Veranstaltungsreihe stellte Tanz- und Gemeindepädagogin Pippa Brück das von ihr initiierte Projekt eines sogenannten „Kleiderkarussells“ vor. Das Kleiderkarussell befindet sich in Räumlichkeiten des Gemeindehauses der Evangelischen Kirchengemeinde in Erda. Dort können Kleider- sowie Sachspenden abgegeben als auch mitgenommen werden. So finden Kleidung, Kinder- und Jugendbücher und Spielsachen neue Besitzerinnen und Besitzer: im Jahr 2024 waren es immerhin eine stolze Zahl von 30000 Gegenständen, die die Besitzer:innen wechselten. Daneben lebt der nachhaltige Tauschladen auch vom ehrenamtlichen Engagement der Beteiligten, sodass ein sensibler Umgang mit deren Zeit und Ressourcen maßgeblich für die lange Lebensdauer des Projektes verantwortlich ist. Pippa Brück betonte auch die mit dem Projekt verbundene Außenwirkung der Kirchengemeinde. Bei der sich an den Impulsvortrag anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass der ländliche Standort der Kirchengemeinde ebenfalls als Teil des Erfolgskonzeptes verstanden werden kann.
Alle drei Projekte stehen beispielhaft für zahlreiche weitere Projekte und Initiativen, die deutlich machen, wie wichtig soziales Engagement ist und welche unterschiedlichen Möglichkeiten es dafür gibt, sowie für eine lebendige Kirche, die sich für die Menschen vor Ort einsetzt. Die Teilnehmenden an den Online-Abendveranstaltungen zeigten neben Begeisterung für die Projekte auch Interesse an der praktischen Umsetzung im Detail und brachten eigene Erfahrungen aus den spezifischen Gegebenheiten in ihren jeweiligen Kirchengemeinden ein.
Die Veranstaltungen waren Teil der Reihe „Bilder der Zukunft – die Kirche im Dorf“, die von der Evangelischen Akademie im Rheinland gemeinsam mit dem Bildungsreferat des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill ausgerichtet wird. Eine Fortsetzung der Reihe ist geplant.
Falls Sie in Ihrer Kirchengemeinde auf dem Land ebenfalls sozialdiakonisch ausgerichtete Projekte umsetzen, freuen wir uns über eine Information an eva-maria.gummelt@ekir.de oder bildungsreferat.lahnunddill@ekir.de.
TEXT: Marlene Schleicher, Bildungsreferat des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill, und Dr. Eva-Maria Gummelt, Evangelische Akademie im Rheinland.
BILD: Marlene Schleicher