Kirchliche Gebäude im Wandel der Zeit
Die Kirchengemeinden in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen. Sinkende Mitgliederzahlen, veränderte Strukturen und steigende Kosten führen dazu, dass viele Kirchengebäude nicht mehr ausreichend genutzt werden oder langfristig nicht mehr finanziert werden können. Vor diesen Aufgaben stehen auch die Gemeinden in unserem Kirchenkreis. Doch Kirchen sind weit mehr als nur Immobilien. Sie haben eine identitätsstiftende Funktion für die Menschen vor Ort, und ihr Verlust wäre ein schwerer Einschnitt für viele Gemeinden und Familiengeschichten.
Der Gebäudeworkshop des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und neue Impulse zu erhalten, veranstaltete der Evangelische Kirchenkreis an Lahn und Dill am 29. März im evangelischen Gemeindehaus in Aßlar einen Gebäudeworkshop. Hochkarätige Referentinnen und Referenten teilten dabei ihre Expertise und diskutierten mögliche Lösungsansätze:
- Cornelia Böhm (Dezernentin der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Landeskirchenamt Düsseldorf)
- Oliver Conzelmann (Landeskirchlicher Bauberater der EKiR, Landeskirchenamt Düsseldorf)
- Jutta Brod (Bezirksdenkmalpflegerin im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden)
- Dipl.-Ing. Prof. Norbert Hanenberg (Architekt und Professor an der TH Mittelhessen)
- Dr. Matthias Rein (Senior des Ev. Ministeriums des Ev.-luth. Kirchenkreises Erfurt)
Zwischen Tradition und Wandel – Kirchenräume neu denken
Superintendent Sitzler betonte in seiner Eröffnungsrede, dass ein Ort nicht durch seine Mauern zum Gotteshaus werde, sondern durch die dort gefeierte Gemeinschaft. „Wir brauchen Raum für intelligente Lösungen“, so Sitzler weiter. Zwischen den beiden Extremen Erhalten und Verkaufen gebe es einen Spielraum, der kreative Lösungen ermögliche. Ziel sei nicht die Abwicklung von Gebäuden, sondern eine neue Lebendigkeit der Gemeinden.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz – Finanzierungsmodelle für den Erhalt von Kirchen
Ein zentrales Thema des Workshops war der Umgang mit kirchlichen Gebäuden im Kontext von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Besonders die Finanzierung entsprechender Projekte wurde intensiv diskutiert. Neben EU-Fördermitteln wurden lokale Unterstützungsmöglichkeiten durch ansässige Firmen, Banken und private Spender hervorgehoben. Dr. Matthias Rein stellte hierbei einige beeindruckende Beispiele aus dem Kirchenkreis Erfurt vor.
Junge Perspektiven – Architekturstudenten denken groß
Ein spannender Beitrag kam von Prof. Hanenberg von der THM, dessen Architekturstudierenden im Zuge ihrer Master- oder Bachelor-Thesis Konzepte zur Umgestaltung von Kirchengebäuden in unserem Kirchenkreis entwickelt hatten. Die Ideen zeichneten sich durch visionäre Ansätze aus, die jedoch hinsichtlich der Umsetzbarkeit und Kosten noch geprüft werden müssen.
Flexible Kirchenräume – Denkmalpflege und Anpassung
Bezirksdenkmalpflegerin Jutta Brod betonte, dass Kirchen eine besondere Identität für ihren jeweiligen Ort stiften und deshalb möglichst viel von ihrem ursprünglichen Charakter erhalten bleiben sollte. Gleichzeitig müsse aber eine flexible Nutzung ermöglicht werden. Dies könne durch minimalinvasive Eingriffe, wie mediale Präsentationen oder modular installierte Technik, erfolgen. Auch eine präzise Temperatur- und Feuchtigkeitsmessung sei entscheidend, um Bausubstanz zu schützen. Mut zu Veränderungen – Kirchen als Teil der Dorfentwicklung
Oliver Conzelmann forderte dazu auf, kirchliche Gebäude als integralen Bestandteil der Dorfentwicklung zu betrachten. Kooperationen mit Kommunen, anderen Kirchen, Vereinen und Institutionen seien nötig, um neue Nutzungskonzepte zu realisieren.
Genehmigungen als Gestaltungschance
Cornelia Böhm klärte über die Bedeutung von Genehmigungen auf. Die Landeskirche sei nicht nur eine regulierende Instanz, sondern auch eine unterstützende Partnerin für die Gemeinden. Eine frühzeitige Kommunikation mit den zuständigen Stellen sei entscheidend. Zudem wurde angeregt, eine Übersichtskarte aller kirchlichen Gebäude im Kirchenkreis zu erstellen, um deren Zustand und Nutzung besser erfassen zu können.
Podiumsdiskussion: Zukunftsperspektiven für Kirchengebäude
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden verschiedene Praxisbeispiele erörtert:
- Erfahrungen kleiner Dörfer mit ihren Dorfkirchen, etwa in Kölschhausen.
- Neue Nutzungsmöglichkeiten für denkmalgeschützte Kirchen und deren Platzierung auf speziellen Immobilienplattformen.
- Die Idee von „Pilgerkirchen“ als neue Nutzungskonzepte.
Ein zentraler Punkt war die Finanzierung des Erhalts von Kirchengebäuden. Es wurde bekräftigt, dass dies nicht nur eine kirchliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Fördermittel aus Dorferneuerungsprogrammen sollten ausgeschöpft werden, und es sei wichtig, auch kirchenferne Menschen in die Nutzung und Erhaltung der Gebäude einzubinden.
Fazit: Geduld und Weitblick sind gefragt
Abschließend wurde betont, dass nicht für jede Kirche sofort eine Lösung gefunden werden könne. In manchen Fällen sei eine Stilllegung über einen bestimmten Zeitraum eine Alternative zum Verkauf, um zukünftigen Generationen Raum für neue Ideen zu geben. Superintendent Sitzler kündigte an, das Thema der kleinen Dorfkirchen nach den Sommerferien intensiv mit politischen Entscheidungsträgern zu besprechen. Die Zusammenarbeit mit kommunalen Partnern und die Sensibilisierung neuer Amtsträger für die finanziellen Herausforderungen der Kirche seien entscheidende Schritte für die Zukunft.
TEXT: JCK
FOTOS: Jan-Christopher Krämer
FOTO 1: Die Zukunft der Kirchengebäude im Kirchenkreis im Blick.
FOTO 2: Über 80 Mitglieder aus den Gemeinden des Kirchenkreises trafen sich in Aßlar zum Gebäudeworkshop.
FOTO 3: Cornelia Böhm, Dezernentin im Landeskirchenamt Düsseldorf, klärte über die rechtlichen Rahmenbedingungen auf.
FOTO 4: Sieht so das Gemeindezentrum der Zukunft aus?
FOTO 5: Dr. Matthias Rain stellte spannende Projekte aus seinem Kirchenkreis Erfurt vor.
FOTO 6: Der für unseren Kirchenkreis zuständige Bauberater Oliver Conzelmann ging in seinem Workshop genauer auf unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten ein.
FOTO 7: Prof. Norbert Hanenberg stellte die Bachelorabschlussarbeiten seiner Studierenden zu zwei Kirchen des Kirchenkreises vor.
FOTO 8: Zum Abschluss des Tages standen die Referent:innen bei einer Podiumsdiskussion Rede und Antwort.