Wer sich zum Wetzlarer Dom aufmacht, kann das Mahnmal nicht übersehen. Unter einem Baum in der Nähe des Eingangs hängen bunte Schirme. Am Stamm des Baumes ist ein Pfahl angebracht. Darüber ist eine Friedenstaube abgebildet. Auf Hinweisschildern mahnt die Szene die Kriegsregionen weltweit an. Da sind Worte wie Afghanistan, Nigeria, Iran, Sudan, Eritrea, Myanmar, Äthiopien und Syrien zu lesen. Aber auch die Ukraine ist erwähnt.

Seit Februar 2022 treffen sich Sonntag für Sonntag um 17 Uhr Menschen, um für den Frieden in der Ukraine zu beten. Organisiert wird die Mahnwache der „Kinder für den Frieden“ vom Team Picknickgottesdienst der katholischen Kirchengemeinde St. Markus. Kathrin Hümmerich und ihre Mitstreiter haben aber auch drei weitere Schilder angebracht, die Gaza, Israel und Libanon erwähnen.

Etwa 50 Besucher schreiten am 7. Oktober an dem Pfahl mit den Namen der zwölf Regionen vorbei, ruhig und besonnen, um an dem Friedensgebet teilzunehmen. Menschen, die den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden sowie den Freikirchen zuzurechnen sind. Dazu eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Wetzlar-Gießen. Diakon Norbert Hark und Gabriele Kurtscheidt von der katholischen Pfarrgemeinde Unserer lieben Frau, Pfarrer Björn Heymer von der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar und Thilo Linthe von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde führen durch das Friedensgebet „aus Anlass des Jahrestages des Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023“.

Das Friedensgebet betont nicht die eine oder andere Seite. Die Zahlen der Opfer auf beiden Seiten waren nicht Thema. Am 7. Oktober hatten die Mitglieder der Terrororganisation Hamas in Israel über 1.100 Menschen getötet in Kibbuzim sowie einem Open-Air-Musikfestival. Zudem nahmen sie 250 Personen als Geiseln, von denen sich noch immer über 100 in der Gewalt der Hamas befinden. „Die Erinnerung an den 7. Oktober 2023 ist mit Trauer und Entsetzen verbunden. Unendliches Leid hat das Leben der Menschen in Israel, in Gaza, im Westjordanland und im Libanon seither völlig verändert“, sagte Hark. Die Hoffnung auf Frieden und ein Ende der Gewalt nach einem Jahr, geprägt von Terror und Krieg, fehle. Hass und Gewalt hätten das Vertrauen der Menschen zueinander zerstört. Das Friedensgebet solle genutzt werden, um Gott anzurufen. Die Teilnehmer sollten um Trost und Frieden bitten, um heilendes Wirken und um die Kraft der Versöhnung, die so dringend gebraucht werde. „Ein Jahr ist vergangen. Die Gewalt ist geblieben. Wir sind betroffen von so viel Leid und Tod und Zerstörung“, formulierte Pfarrer Heymer. Es sei kaum zu ermessen, was Menschen in Israel und Palästina zu tragen hätten: Trauer, Angst, Verzweiflung, Wut und Bitterkeit. „Seit 365 langen Tagen dreht sich die Spirale der Gewalt, reißt Menschenleben mit“, sagte Heymer. Linthe und Gabriele Kurtscheidt verlasen Bibeltexte, etwa „Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerfließen“ aus dem Buch Jesaja, Kapitel 63, Vers 19. Zudem lasen die vier einen Text der Direktorin des Rossing Centers in Jerusalem, Sarah Bernstein, vor, die darin die Bilder von leidenden Kindern in Gaza und Israel beklagt.

Gemeinsam mit den Besuchern lasen die vier das „Gebet der Kinder Gottes“ der Benediktiner im Heiligen Land, dem es heißt: „Öffne dein Herz den Verschleppten, Vertrieben, den Geflüchteten“ sowie „Lass die Waffen, die Gewalt, den Hass verstummen“.

 

RED