Christliche Begegnungstage in Frankfurt/Oder und Slubice:

 Neun Christinnen und Christen aus dem Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill und dem Dekanat Gießener Land nahmen an den Christlichen Begegnungstagen in Frankfurt an der Oder und Slubice (Polen) teil. Organisatoren waren Ursula und Pfarrer i.R. Udo Küppers.

Ursula Küppers berichtet über die drei eindrucksvollen Tage Anfang Juni:

„Der Glaube kann Brücken bauen und Grenzen überwinden. Die Teilnahme so vieler Menschen aus verschiedenen Ländern und Kirchen hat deutlich gemacht, dass wir als Christen gemeinsam stark sind“ – so Bischof Waldemar Pytel, Diözese Breslau der Evangelisch-Augsburgischen Kirche, Polen, Slubice.

Das haben wir neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Christlichen Begegnungstagen im Abschlussgottesdienst uns untereinander mit unseren polnischen Nachbarinnen und Nachbarn durch einen Handschlag versprochen: „Nichts kann uns trennen.“

„Nichts kann uns trennen“ – der Aufdruck auf den bunten Armringen der Gäste aus Tschechien, der Slowakei, aus Ungarn, Österreich, Ukraine, Polen, Deutschland galt als Teilnahme und sichtbares Zeichen der Freundschaft und Vergewisserung, dass wir in Europa unbedingt zusammengehören an den drei Tagen vom 7.-9. Juni in der deutsch-polnischen Grenzstadt. Ganz gleich, ob es sich um Geflüchtete handelt und Menschen, die dem Krieg entkommen sind: alle eint die Sehnsucht nach Frieden.

Und so kann auch der lange Weg über die Oder-Brücke zu einem Weg des Friedens werden: Da wehen die Europa-Fahnen neben denen der Christlichen Begegnungstage und denen beider Städte; da gehen die Gäste von der Universität Viadrina in Frankfurt auf die andere Flussseite zum Collegium Polonicum, dem polnischen Teil der Europa-Universität. Und sitzen selbstverständlich im Audimax, um an Diskussionen über den Beitrag der Kirchen zur Zukunft Europas teilzunehmen. Die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, ist dabei, Professor Hanna Suchcka als ehemalige polnische Ministerpräsidentin sowie andere aus Kirchen und Politik. Und selbstverständlich kann man sich die Übersetzungen über einen eigens für diese Tage eingerichteten QR-Code herunterladen. Überhaupt funktioniert die Technik bewundernswert gut, und die Dolmetscher für die sieben Sprachen sitzen nicht in einer Kabine, sondern gehen ihrer Arbeit von zu Hause aus nach.

„Die Christlichen Begegnungstage waren ein phantastisches und faszinierendes Zusammenkommen im Geiste Gottes in der Doppelstadt Frankfurt/Oder/ Slubice im Herzen Europas. Ein Zeichen des Friedens, so wichtig in schreckensvollen Zeiten“, so Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Überall begegnen wir dem Wunsch nach Frieden, nach einem geeinten Europa, sichtbar an allen Ecken dieser gemeinsamen Tage, nicht nur auf den Podien und bei den Diskussionen in der Friedenskirche, dem Kleist-Forum, in den mehrsprachigen Gottesdiensten und Bibelarbeiten, den Morgens-, Mittags- und Abendandachten. Das fängt ja bereits bei der großen Friedensglocke an, die am Oder-Ufer zum Friedensgebet am Nachmittag vor dem großen Eröffnungsgottesdienst einlädt. Sie ist Mahnung an die Unterzeichnung des Vertrags über die Oder-Neiße-Friedensgrenze infolge des Görlitzer Abkommens. Die Glocke mit der Inschrift ‚Friede und Freundschaft mit allen Völkern‘ erklingt in der Regel zum Weltfriedenstag am 1. September. Kaum vorstellbar, dass vor der Wende hier noch Volkspolizisten der DDR patrouillierten, um die deutsch-polnische Grenze zu bewachen, die ja mitten durch die Oder ging.

Glocken sollten alle für das gemeinsame Abendessen am 8. Juni mitbringen. Mit ihnen läuteten sie den Beginn der „Speisung der 4000“ ein – gekommen waren 4500 -, die alle Teilnehmenden an einer über ein Kilometer langen Tafel, von der Marienkirche bis entlang des Oder Ufers, in Gespräch, Gebet und Gesang vereinte.

Musik verbindet ja bekanntlich! Und so haben sich auch für die Christlichen Begegnungstage aus den genannten Ländern 250 Sangesbegeisterte und Instrumentalisten zu einem Projektchor und -orchester in der Marienkirche zusammengefunden und nehmen die Hunderte Zuhörer mit in Cesar Francks 150. Psalm, oder den 42. von Felix Mendelssohn. In unserer Nähe gibt sich ein Mädchen mit Down-Syndrom unbeirrt dem Tanz hin. Und zum Schluss sind Sänger, Instrumentalisten und Besucher bei Händels Halleluja aus dem Messias engagiert.

Ähnliches Erleben mit dem Staats- und Domchor Berlin, der die Gäste vom Mittelalter bis in unsere Zeit führte. Da kamen die Freunde von Constantin Christian Dedekind, Anton Bruckner, Louis Lewandowski, Stanislaw Moniuszko und Valentin Silvestrov auf ihre Kosten.

Orgelfreunde fanden sich natürlich in der katholischen Gertraudiskirche zum Orgelmarathon ein, der es vom frühen Nachmittag bis in die Nacht Organisten aus Deutschland, Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Ungarn ermöglichte, ihr Können auf einer der berühmten Sauer-Orgeln darzubieten. Die Firma Sauer ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute untrennbar mit Frankfurt verbunden. Allerdings wird sie seit Januar 2000 von vier Gesellschaftern geführt.

2500 Gäste nahmen jeweils an den Eröffnungs- und Abschlussgottesdiensten teil, auf dem großen Brunnenplatz inmitten der Stadt. Die Einladung zum Abendmahl an den über den Platz verteilten geschmückten und mit kleinen Keramikbechern gedeckten Tischen, Segnung und Sendung bestätigten noch einmal das Motto der Tage: „Nichts kann uns trennen“ von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist. Die Abendsonne lenkte den Blick immer wieder hinauf zu dem wehrhaften Turm der Marienkirche, zu eiligen Schwalben und Mauerseglern.

Ich denke da an einen Mann aus der Nähe von Frankfurt/Oder, der mir von der Zerstörung der Stadt direkt nach dem Krieg nach 1945 erzählte. Die Stadt wurde aus Wut und Hass von den Polen und Russen nach 1945 in Brand gesetzt und hat erst dann fast die ganze Stadt zerstört. Es muss für ihn, wie für viele Menschen, ein schreckliches Erlebnis gewesen sein. Umso glücklicher war er, dass dieser Kirchentag in Frankfurt/Oder stattfinden konnte.

An dieser Stelle gilt es, von der Kirche etwas zu erzählen. Auch sie gehörte zu den Ruinen der Stadt, wurde aber dann seit 1979 aufwändig restauriert. Eine wahre Meisterleistung war die Rekonstruktion des Kirchendaches, und das war ja bereits nach der Wende. Und das ganz große Wunder: die 600 Jahre alten Bleiglasfenster im Chorraum wurden 1941 ausgebaut, sorgsam verpackt nach Potsdam gebracht, nach Kriegsende in der Eremitage in Leningrad eingelagert. Welch große Freude, als 111 Scheiben der 48 Zentimeter breiten und 84 Zentimeter hohen Scheiben durch zähe Verhandlungen auf beiden Seiten nach Frankfurt zurückkehrten, in einer Spezialwerkstatt restauriert und wieder eingebaut wurden. Sechs Jahre blieben die restlichen sechs Scheiben verschollen. Dann entdeckte man sie im Depot des Moskauer Puschkin-Museums. 2008 schließlich kehrten auch sie zurück nach Frankfurt und endlich war die Bilderbibel des Mittelalters wieder vollständig! Von großem Interesse für uns heute ist das rechte Chorfenster, das die Geschichte des Antichristes erzählt. Da erscheint auf den schönen bunten Glasbildern ein falscher Messias als Vorbote des nahenden Weltuntergangs. Mit Lügen und falschen Wundern versucht er, die Menschen vom rechten Glauben abzubringen und die Weltherrschaft zu übernehmen. Wie ist er zu erkennen? Auf seiner Stirn trägt er ein deutlich sichtbares T, mit dem auch seine Anhänger gekennzeichnet sind. Und da wäre es jetzt interessant, einmal herauszufinden, was dieses Zeichen bedeutet. Aber dazu bedarf es eines weiteren Berichtes.

Fotos: Osteuropa-Ausschuss

Bild 1: Nahmen an den Christlichen Begegnungstagen teil (v.l.): Ursula Küppers, Udo Küppers, Gisela Müller, Barbara Gümbel, Barbara von Meltzer, Christian von Meltzer und Eckhard Müller.

Bild 2: Gottesdienste fanden auch unter freiem Himmel statt.

Bild 3:  Der Schlussgottesdienst wurde mit Pfarrerinnen und Pfarrern aus sieben Ländern gefeiert.

Bild 4: Die Glocken läuteten bei der „Speisung der 4000“.