Diese Predigt zum Sonntag Kantate, 10. Mai, zum Bibeltext aus dem 2. Buch der Chronik, Kapitel 5, Verse 2 bis 5 und 12 bis 14, hat Dagmar Krauth-Zirk, Pastorin in Kölschhausen, verfasst.

Liebe Gemeinde,

am letzten Wochenende hat die Kirchengemeinde Altenkirchen wieder mit Gottesdiensten begonnen und weitere Gemeinden werden in den nächsten Wochen folgen – bei uns erst im Juni.

Gottesdienst in Corona Zeiten – das heißt, man muss Mundschutz tragen und vorher und nachher die Hände desinfizieren. Auch die Plätze in Mudersbach am Sonntag waren sehr begrenzt, nur ein paar Stühle verteilt im ganzen Gottesdienstraum. Die hygienischen Maßnahmen kennen wir ja nun schon alle, aber was mich am meisten gestört hat, das war, dass man auch nicht singen durfte. Ein Gottesdienst ohne Gesang ist für mich ganz schrecklich, denn ich singe so gern. Zwar hat die Orgel gespielt, aber den Gesang hat das für mich nicht ersetzt.

Heute feiern wir den Sonntag Kantate. Kantate heißt: Singt! In vielen Gemeinden wird an diesem Sonntag der Gottesdienst besonders musikalisch ausgestaltet mit Posaunen, Chorgesang oder auch Soloauftritten. Ich hoffe, ihr werdet heute auch mitsingen, auch wenn das noch nicht zusammen geht.

Auch in unserem heutigen Predigttext geht es um Gesang und Musik und um einen Gottesdienst. Hier handelt es sich um den Gottesdienst zur Einweihung des Tempels in Jerusalems durch König Salomo. Dieses Ereignis wurde aufgeschrieben im 2. Buch der Chronik im 5. Kapitel:

 

Predigttext 2. Chronik 5, 2 – 5, 12 – 14

Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion.

Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist.

Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.

Alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Kleidung aus Leinen, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertundzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen.

Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und dem Herrn danken.  Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte mit den Worten: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

 

Was für ein Orchester! Und das in damaliger Zeit! Ich stelle mir das gerade vor: 120 Trompeten – mindestens genauso viele Sänger, Zimbeln (das sind kleine klingende Becken) und Saiteninstrumente, die es so heute nicht mehr gibt. Auch die Trompeten von damals sahen anders aus als heute und auch der Gesang zu dieser Zeit würde uns heute sehr fremdartig und exotisch vorkommen. Letztens sah ich im Fernsehen wie die äthiopischen Christen, die sich dem Judentum sehr verbunden fühlen und ganz besonders König Salomo, Gottesdienst feiern. In weißen Leinengewändern mit Turbanen auf den Köpfen oder Schleier auf dem Haupt. Mit elegischem Gesang in einer Sprache, die heute keiner mehr spricht. Mit Tanz, Trommeln und Trompeten, die sehr altertümlich aussehen. So stelle ich mir auch die Einweihung des Tempels vor. Die Christen in Äthiopien waren fröhlich, ja fast ekstatisch, man konnte ihnen die Freude am Lob Gottes ansehen.

Und auch sie feierten vor ihrer alten und berühmten Kirche, nicht in ihr. So wie auch das Volk Israel vor dem Tempel feierte und nicht in ihm.

Warum eigentlich nicht? Wir feiern doch auch Gottesdienst in der Kirche und nicht davor?

Nun, im Alten Israel galt der Tempel als heiliger Ort, wo Gott wohnt, bzw. Platz nimmt. Damals gab es noch die Bundeslade, die die zwei Steintafeln mit den 10 Geboten enthielt. Der Tempel war nur für sie erbaut worden. Die Bundeslade war der Garant für Gottes Beistand. Und die sichtbare Erinnerung an den Bund, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hatte.

Nur die Priester durften den Tempel betreten, um in ihm ihren Dienst zu versehen, also dem Gott Jahwe Weihrauch und andere duftenden Harze zu opfern – das geschah drinnen im Tempelgebäude  in Räucherschalen – oder ihm Tieropfer darzubringen. Das geschah an speziellen Opferstätten auf dem Tempelhof.

Auch katholische und orthodoxe Kirchen gelten heute noch als heilige Stätten, die geweiht werden müssen oder auch durch ungebührliches Benehmen entweiht werden können. Als Zeichen der Heiligkeit hat jede katholische Kirche eine Reliquie, also ein Teil eines Heiligen im Altar, den orthodoxen Kirchen sind ihre Ikonen heilig. Als evangelische Christen kennen wir das gar nicht mehr. Für uns ist die Kirche ein Gottesdienstraum und Gottesdienst kann man überall feiern. Wir brauchen dafür keine heiligen Orte oder Gebäude. Allerdings ist uns dadurch fast gar nichts mehr heilig – jedenfalls keine Dinge.

Heilig ist für mich natürlich der Name Gottes (geheiligt werde dein Name) und damit der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Heilig ist die Kirche, geheiligt sind wir als Christen (die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen). Aber ich habe Respekt und Ehrfurcht vor und in allen Kirchen. Weil dort Menschen beten, singen und Gottesdienst feiern und an Gott glauben. Sie sind es, die einen Raum heiligen können durch ihr Tun.

Spannend aber finde ich an unserem Predigttext folgende zwei Aussagen:

1. Während die Menschen singen und musizieren und dadurch Gott loben, werden ihre Stimmen zu einer einzigen Stimme des Gotteslobs. Sie werden zu einer Stimme, zu einer Gemeinschaft, zu einem Körper.

Und dann geschieht Folgendes:

2. Gott hört sie. Gott erfreut sich an dem Gesang und an dem Lob, das ihm zuteil wird. Und er reagiert darauf. Sein heiliger Geist umhüllt das Gotteshaus wie eine Wolke.

Menschen loben Gott und er hört sie. Menschen werden durch die Musik und den Gesang zu einer Gemeinschaft. Das ist Gottesdienst. Das ist Kirche.

Und dann geschieht etwas, womit niemand gerechnet hatte: die Priester können ihren Dienst im Tempel gar nicht versehen, weil Gott selbst ihnen im Weg steht!

Was für eine Ironie! Gott selbst verhindert den Tempelbetrieb! Was will uns der Chronist damit sagen, wo doch in seinem Werk der Tempel in Jerusalem so eine große Rolle spielt?

Ich denke, der Chronist – eigentlich ist es eine Gruppe von Priestern, die das aufgeschrieben haben – ist hier sehr selbstkritisch. Er weiß genau, dass man mit Opfern und religiösen Zeremonien im Tempel Gott nicht herbeirufen kann. Dass man seine Gegenwart nicht erzwingen kann. Die Chronisten haben aber die Erfahrung gemacht, dass Gott kommt, wenn man ihn ernstlich anbetet und lobt.

Das Gotteslob ist in unserem Predigttext das Entscheidende, nicht die ganzen Vorbereitungen und Zeremonien und das ganze Brimborium, was da noch stattfindet und von dem ich bei dem Text eine Menge weggelassen habe.

Gotteslob. Das soll ja auch bei uns stattfinden. Das ist nicht abgeschafft im Gegensatz zu dem Tempel und seinen Tieropfern und den tausenderlei Vorschriften und Ritualen, die es damals im Tempelkult gab. Und von denen es heute noch in den verschiedensten Kirche so einige gibt.

Gotteslob. Das gibt es bei uns im Gottesdienst. Das gibt es im Gebet, egal, wo das stattfindet. Draußen oder drinnen, in der Kirche oder auch zu Hause. Das gibt es im Gesang, so wie heute zu Kantate.

Mit Musik, mit geistlichem Gesang, kann ich manchmal Gott näher kommen als mit einem routinemäßig abgespulten Vater Unser. Gesang kann Gebet sein. Musik kann Verbindung schaffen zu höheren Sphären.

 

Dazu fällt mir eine kleine Geschichte ein, die das verdeutlicht:

Es war einmal eine Gruppe von Mönchen, die haben jeden Morgen ihr Morgengebet zu Gott gesungen und am Abend das Abendgebet. Das Problem war: sie konnten überhaupt nicht richtig singen und ihr Gesang war krumm und schief. Aber sie sangen mit Inbrunst. Der Abt des Klosters, in dem sie lebten, mochte die schiefen Töne eines Tages nicht mehr hören und so bestellte er einen Gesangslehrer, der den Mönchen beibringen sollte, wie man schön singt.

Und die Mönche waren sehr gelehrig. Jeden Tag lernten sie mehr und ihr Gesang wurde immer schöner und gelehrter. Bald waren sie so gut, dass sie sogar Auftritte in anderen Kirchen hatten. Der Abt war hoch zufrieden, wunderte sich nur, dass die Mönche nicht so zufrieden und glücklich wirkten, wie sie das angesichts des Erfolgs hätten sein sollen. Eines Tages erschien ihm im Traum ein Engel und fragte ihn: Wo ist der schöne Lobgesang deiner Mönche? Wir Engel können ihn schon seit Wochen nicht mehr hören. Und dabei haben wir uns immer so über euer Morgen- und Abendgebet gefreut!

Der Abt antwortete im Traum: Aber sie singen doch noch und viel schöner als zuvor!

Da antwortete der Engel traurig: Wenn es nicht von Herzen kommt, dann können wir es nicht hören.

Da wurde dem Abt beim Erwachen klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Denn nun achteten die Mönche nur noch auf die Gesangstechnik und hatten Angst einen falschen Ton von sich zu geben und das Gotteslob war ihnen dabei abhandengekommen.

 

Liebe Gemeinde,

an Kantate sind wir dazu aufgerufen, Gott singend zu loben. Und wenn jemand nicht singen kann, ist das völlig egal, denn Hauptsache, es kommt von Herzen und gilt auch wirklich dem, der da in Wort und Ton angebetet wird. Gebe Gott euch in eure Herzen ein Gotteslob, das nicht nur Gott, sondern auch eure Herzen erfreut!

Amen.